Biologie


Sikas erreichen im Schnitt knapp die Größe von Damwild. Sie sind kompakter und im Verhältnis kürzer. Der gedrungene Körperbau mit dem dagegen fein und fast zierlich wirkenden Kopf lässt sich besonders beim Feisthirsch oder zu Beginn der Brunft deutlich erkennen. Ebenso sind auch die Lauscher relativ kürzer als beim Damwild. Der Spiegel ist weiß, der Wedel kurz und straff, aber bei brunftigen Stücken und beim sich lösen deutlich sichtbar. Er "wedelt" aber nicht so markant wie beim Damwild, entbehrt auch mit dem Spiegel zusammen der auffälligen Schwarzweißzeichnung, obwohl eine dunklere Umrandung vorhanden ist. Das Sikawild vermag den Spiegel weit zu spreizen, so dass er breit wie der Wildkörper hell durch den Bestand leuchtet. Offensichtlich spreizt das Wild den Spiegel bei Erregung, besonders in Verbindung mit Prellsprüngen, jenen Sprüngen aus dem Stand mit allen vier Läufen zugleich. Als gutes Erkennungsmerkmal dient die helle Haarbürste der Metatarsaldrüse an den Außenseiten der Hinterläufe unterhalb des Sprunggelenks. Auf mehreren Abbildungen ist sie gut zu erkennen. Im Übrigen steht das Wild, vor allem der Hirsch, etwas kuhhessig auf den Hinterläufen.
 
Die Sommerdecke ist rötlichbraun mit hellen Flecken und dunklem Aalstrich, die des Hirsches im Allgemeinen etwas dunkler, etwa von Rotwildfarbe. Das weibliche Wild unterscheidet sich von wildfarbenem Damwild durch das Fehlen des ausgeprägten horizontalen Seitenstreifens zwischen Bauch und Rückenregion. Auch ist die helle Unterseite nicht so weiß wie bei Damtieren. Schmaltiere sind oft besonders hübsch gezeichnet.

Die Fährte, auch die des geringen Kahlwildes, ist wohl mit der Damwildfährte vergleichbar, aber nicht mit der von Rehwild zu verwechseln. Sie erscheint nicht so herzförmig wie diese, sondern länger und in den einzelnen Schalen gerader. Das Hirschtrittsiegel ist wesentlich stärker als das der Tiere, jedoch bei weitem nicht so stark wie das des Damhirsches. Gegenüber dem Trittsiegel von weiblichem Damwild sieht das des Sikahirsches kompakter und runder aus. Bei einiger vergleichender Übung sind die Gattungen und Geschlechter an der Fährte auseinander zuhalten.
 
Während Kälber zur Jagdzeit ein Gewicht von durchschnittlich 17 kg aufweisen, wiegen Schmaltiere etwa 21 kg, Alttiere 29 kg und Hirsche 30 bis 55 kg. Das Spitzengewicht eines in der Brunft in Schleswig-Holstein erlegten Hirsches betrug 63,5 kg. Es kommen in einigen Beständen aber auch wesentlich höhere Gewichte vor (Dybowski Einschlag) sowie spürbar geringere (reine Inselsikas oder lokale, sekundäre Mangelformen?). Zwergformen von Sikahirschen sind in Tierparks zu beobachten, wobei auch hier nicht entschieden werden kann, ob es sich um importierte Gebirgstiere aus Nippon handelt oder um die nicht unbekannte Gatter-Reduktion der Gewichte (vgl. Schwarz). Die Gewichte verstehen sich beim Kahlwild aufgebrochen mit Haupt und bei den Hirschen aufgebrochen ohne Haupt.

Die Hirsche verfärben im Frühjahr nach dem Abwerfen. Schiebende Hirsche tragen die Sommerdecke, der Kolbenhirsch verfärbt zurück zur Winterdecke und fegt das Geweih zur gleichen Zeit, Ende August. Weibliches Wild verfärbt im Frühjahr vor dem Setzen und im Herbst Anfang Oktober. Im Winterhaar sind die Tiere gleichmäßig graubraun, an der Bauchseite etwas heller, aber gleichmäßig übergehend ohne Absatz. Die Fleckung der Winterdecke ist am lebenden Stück sehr schwer zu erkennen, am gestreckten jedoch meist deutlich sichtbar, besonders an der gegerbten Decke. Der Hirsch wird im Winter sehr dunkel und wirkt fast schwarz, wenn auch nicht so reinschwarz wie melanistische Stücke Damwild. Die Tüpfelung längs des Aalstriches, auf der von oben gemachten Aufnahme sehr markant, wird am lebenden Wildtier meist nicht erkannt, sondern oft erst nach seiner Erlegung in der Winterdecke festgestellt.

Das Sikatier setzt jährlich ein Kalb. Zwillingskälber sind nicht belegt. Vor dem 1. Juni sind in Schleswig-Holstein keine Kälber beobachtet worden. Erst ab 6. Juni werden die meisten Kälber gesetzt, selten nach dem 1. Juli. Ganz vereinzelt wurden Spätkälber im September beobachtet, die als kleine, hellrötliche Stücke in den Winter gingen - oder vor die Büchse kamen. Diese Fehlsteuerung beruht auf der Spätbrunft einzelner Tiere. Führende Stücke leben sehr versteckt, so dass im Sommer vom Sikawild nicht viel bemerkt wird, weil auch die Kolbenhirsche weitgehend heimlich vor allem im Getreide stecken.
 
Hirsch und Tier schrecken mit kurzem Pfeifton ähnlich denen des Gamswildes; beim Hirsch klingt die Stimme lauter und dem Brunftschrei ähnlich. Außerhalb der Brunftzeit allerdings lassen sich Hirsche wie Tiere selten vernehmen, nur das leise Mahnen der Alttiere ist deutlich zu hören.
 
Die Brunft setzt im allgemeinen Ende September/Anfang Oktober ein Die älteren Hirsche schreien wie die Rothirsche - abends und morgens am häufigsten, aber auch gelegentlich am Tage. Junge Hirsche sind nie schreiend beobachtet worden, ältere allerdings auch sehr selten. Man hört sie, sieht sie aber nicht, denn der ganze Brunftbetrieb geht zwar sehr hörbar, aber recht versteckt vor sich. Der alte Hirsch steht ständig in der Dickung. Wie viele Tiere er jeweils bei sich hat, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Typische Beihirsche, wie Rot und vor allem Damwild sie stellen, werden nicht beobachtet. Es hat vielmehr den Anschein, als ob das Brunftgeschehen die junge männliche Generation nichts anginge. 

Einzelne Paarungen mit anderen Hochwildarten sind nur mit dem verwandten Rotwild bekannt geworden. Die Mischlinge sind fruchtbar. Ein Mischlingshirsch aus Rothirsch und Sikatier wurde wie folgt beschrieben: "Der Körperbau ist auffallend schlank, die Grundfarbe der Decke brauner als bei Sikawild, sie ähnelt mehr der Decke eines Rothirsches." Auch am Spiegel sollen Zwischenformen und -farben auftreten.
 
Nach der Brunft bis zum Einsetzen des Winters stehen die Tiere meistens im Familienverband: Alttier, Kalb und Schmaltier oder -spießer. Erst mit dem Einsetzen der "Notzeit" rudelt sich das Kahlwild zu größeren Gemeinschaften zusammen. Auch die Hirsche bilden nun größere Verbände, wobei im allgemeinen eine Aufteilung in eine Altherrengruppe und einen Junggesellenverein zu beobachten ist. Nur geringe Spießer verbleiben oft beim Kahlwildrudel. In Gebieten mit gleichzeitigem Damwildvorkommen konnte öfter beobachtet werden, dass einzelne Stücke beim Rudel der anderen Art stehen. Dieses ist mehr zufällig und von kurzer Dauer. Das Winterrudel verhält sich weitgehend wie Rotwild. Durch Fütterungsmaßnahmen kann man es besonders schnell zu bequemen "Gammlern" verziehen, die im Gänsemarsch nur einmal täglich ihren ausgetretenen Wechsel zwischen Dickung und Fütterung absolvieren.
 
Auch bei sehr dichter Haltung in Parks oder bei stärkeren Beständen auf engem Raum hat das Wild erstaunlich wenig unter Parasiten oder gar Krankheiten zu leiden. Fallwild aus solchen Gründen ist unbekannt. Auch abgekommene Stücke kommen praktisch nicht vor, deshalb findet man in den Rudeln selten einmal ein Stück, das unbedingt abgeschossen werden muss. Jede Altersklasse zeigt sich untereinander äußerst homogen.
 
Missbildungen und Geschwülste an den Gelenken, oft an den Hessen und Kronen, aber auch an der Handwurzel und sogar am Kiefer kommen manchmal vor. Sie können einen Abschuss notwendig machen. Andere Negativ-Faktoren wurden bisher nicht bekannt.
 
Das Hirschkalb ist schon im Herbst an seinem dickeren Schädel und seiner etwas dunkleren Decke recht gut anzusprechen. "Erstlingsgeweihe" sind nicht beobachtet worden. Im Winter werden die ersten "Knubben" sichtbar, die sich im Laufe des Frühjahrs immer mehr verlängern, bis sie im Sommer als Spieße fertig geschoben sind. Während dieses Prozesses wechseln sie bei etwa Daumenlänge von der grauen Deckenfarbe zur schwarzen Bastfarbe. Im unteren Bereich sind sie stark behaart.
 
Die Spieße können selten aber auch kurz wie Sektkorken bleiben und so verfegt werden. Im Allgemeinen erreichen sie über Lauscherhöhe, es treten aber jetzt auch, nach langjähriger Hege, doppelt Lauscher hohe Spieße auf, wie beim Rotwild. Dabei fällt ins Auge, dass die kurzen Spieße oft Auslage haben, während die langen Spieße meistens auf breit stehenden Rosenstöcken öfter parallel aufwachsen. Höchstens leichte Lyra-Form wird bei den besten Spießern beobachtet. Diese zeigen seit einigen Jahren - was früher völlig unbekannt war - Endgabeln oft auf beiden Spießen. Es gibt auch immer öfter noch bessere Jährlingsgeweihe, wie schwache Sechser und seltener, sogar angedeutete schwache Achter z. B. in Schleswig-Holstein.
 
Die Spieße werden im August, oft auch erst im September, verfegt, bleiben aber hell. Erst im Mai werden sie abgeworfen und neue Kolben geschoben. In manchen Vorkommen, vor allem in Großbritannien, handelt es sich bei dem neuen Geweih um eine Sechserstufe, in Schleswig-Holstein wurden stets Achterstangen beobachtet. Oft ist die Stangenstärke unterhalb der Mittelsprosse schon recht klobig, oberhalb aber recht schwach. Dies hat regelmäßig zur Folge, dass die Stange an dieser Stelle bei den ständigen kleinen Scharmützeln des Jungvolks abbricht - und der Hirsch einen Abschusshirsch vortäuscht. Dieses Geweih wird bis Ende August gefegt und im April/Mai abgeworfen.
 
Wie bei Rehbock und Rothirsch sind auch bei Sikahirschen in seltenen Fällen die so genannten Doppelköpfe oder Doppelgeweihe beobachtet worden. Hier handelt es sich um Hirsche vom 2. Kopf, die ihre Spieße oder Knöpfe "nicht losgeworden sind" und bei denen sich um die alten, nicht abgeworfenen Knopfspieße herum neue Stangen bilden.
 
Das Geweih vom 3. Kopf wird wie alle folgenden ab Mai geschoben, im August gefegt und im April abgeworfen. Die ältesten Hirsche werfen als erste, etwa gegen Mitte April, ab. Oft kann man sie tagelang mit nur einer Stange beobachten.
 
Vom 4. bis etwa 6. Kopf zeigen einige Angelner Sikas anstelle des sonst für die Art typischen Achtergeweihes die für sie bekannte Vielendigkeit und Kronenbildung. Mit Ausnahme der Augsprosse können alle Enden gegabelt sein, teils nur flach, teils auch spatel- oder rinnenförmig ausgebildet. Manchmal gabelt sich das Achterende, manchmal schiebt der Hirsch auch ein zusätzliches echtes Kronenende, gelegentlich treten sogar recht ansehnliche Becherkronen auf. Eissprossen wurden nie beobachtet, dafür aber eine Art Wolfsprosse und andere zusätzliche oder regelwidrige Enden.
 
Etwa vom 7. Kopf an ist der Sikahirsch ausgewachsen. Die Hirsche stehen einzeln, bestimmen das Brunftgeschehen und bleiben meist in Dickungen versteckt. Begegnungen mit reifen Hirschen können aber auch zu einem unvergesslichen Erlebnis werden. Es hat fast den Anschein, als seien einige dieser alten Herren besonders wesensfest und im Vollbewusstsein ihrer Stärke: Sie halten den Anblick eines Menschen oder einer anderen Gefahrenquelle ziemlich lange aus, ohne gleich abzuspringen.
 
Schon ab dem 9. oder 10. Kopf kann ein Hirsch zurücksetzen. Hirsche mit gleichschenkliger Krebsschere am Stangenende sind entweder sehr alt oder schlecht veranlagt (v. Suminski). Besonders ein enger Zwang der Endzange deutet offenbar auf hohes Alter hin.
 
Das Geweih des reifen Hirsches ist immer massiv und schwer, nie porös oder leicht, im Allgemeinen von ansprechender Farbe und nicht selten auch gut geperlt. Die hellen, stumpfendigen (nicht etwa brandigen!) gedrungenen und oft viel endigen Geweihe der 40er und 50er Jahre, damals die "Weißwursthirsche", treten kaum noch auf - wobei keineswegs etwa die "Hege mit der Büchse" die entscheidende Rolle gespielt hat!